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Gericht: Oberlandesgericht Celle
Urteil verkündet am 16.07.2008
Aktenzeichen: 14 U 64/08
Rechtsgebiete: PflVG
Vorschriften:
PflVG § 3 Nr. 3 Satz 3 |
2. Für den Beginn der Verjährung eines Schmerzensgeldanspruchs kommt es entscheidend auf die Sicht medizinischer Fachkreise an, nicht auf den Kenntnisstand des Verletzten selbst.
Oberlandesgericht Celle Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 16. Juli 2008
In dem Rechtsstreit
hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin am Oberlandesgericht ..., der Richterin am Oberlandesgericht ... und des Richters am Oberlandesgericht ... auf die mündliche Verhandlung vom 1. Juli 2008 für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 7. Februar 2008 verkündete Urteil des Einzelrichters der 8. Zivilkammer des Landgerichtes Hannover unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle zukünftig noch entstehenden materiellen Schäden aus dem Unfall vom 6. April 2001 auf der BAB 24, Kilometer 108, zu ersetzen, soweit diese Ansprüche nicht auf Träger der Sozialversicherung, Sozialhilfe oder andere Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites tragen beide Parteien je zur Hälfte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
(abgekürzt gemäß §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Die zulässige Berufung des Klägers hat nur teilweise Erfolg.
Zu Recht hat das Landgericht den geltend gemachten Feststellungsanspruch des Klägers bezüglich zukünftiger immaterieller Schäden aus dem Verkehrsunfall vom 6. April 2001 abgewiesen. Hingegen erweist sich das Urteil des Landgerichtes als fehlerhaft, soweit es dem Kläger auch den Feststellungsanspruch für künftige materielle Schäden aufgrund des Verkehrsunfalls vom 6. April 2001 versagt.
1. Die Beklagte kann sich gegenüber den von dem Kläger erhobenen Feststellungsansprüchen lediglich gegenüber dem auf Ersatz immaterieller Schäden gerichteten Anspruch erfolgreich auf Verjährung berufen.
Das Landgericht ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass die Ansprüche des Klägers gegen die Beklagte auf Schadensersatz gemäß den §§ 7 StVG, 823, 847 BGB a. F. i. V. m. § 3 Nr. 1 PflVG nach den Regelungen der §§ 3 Nr. 3 Satz 1 PflVG, 852 BGB a. F. der dreijährigen Verjährung unterlagen. Die aufgrund des Schreibens der Klägervertreter vom 20. Juni 2001 gemäß § 3 Nr. 3 PflVG eingetretene Hemmung der Verjährung endete in der Tat mit dem Schreiben der Beklagten vom 8. Mai 2003 (Bl. 14 d. A.), mit dem die Beklagte auf das Anspruchsschreiben der Klägervertreter vom 18. Februar 2003 hin den Gesamtanspruch des Klägers durch Zahlung weiterer 7.500 EUR regulierte und - bezogen auf das geltend gemachte Schmerzensgeld - ausführte:
"Unter Berücksichtigung der Gesamtfakten (keine(!) stationäre Behandlung) halten wir das Schmerzensgeld für angemessen.
Ein höheres Schmerzensgeld halten wir nicht für begründet."
Dieses Schreiben stellt in der Tat eine zum Wegfall der Verjährungshemmung führende Erklärung des Versicherers i. S. des § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG dar. Als eine solche ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht nur eine anspruchsbejahende Erklärung i. S. des § 208 BGB zu verstehen. Dem Geschädigten gegenüber muss umfassend und endgültig Klarheit über die Einstandsbereitschaft des Versicherers gegeben werden, wobei dies sowohl durch eine ablehnende als auch durch eine anspruchsbejahende Erklärung geschehen kann (vgl. nur BGH VersR 1996, 369 ff. - jurisRdnr. 12, 13 und 15).
Eine solche eindeutige Erklärung enthält das Schreiben der Beklagten vom 8. Mai 2003 in Bezug auf das geltend gemachte Schmerzensgeld, nicht aber hinsichtlich der geltend gemachten materiellen Schäden.
Die Klägervertreter hatten ausweislich ihres Schreibens vom 18. Februar 2003 unter Bezugnahme auf das sogenannte erste Rentengutachten für den Kläger geltend gemacht, es sei mit unfallbedingten Dauerschäden sowie mit einer dauerhaften Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 % zu rechnen, und haben gerade im Hinblick auf die Schwere der Verletzungen und des Dauerschadens ein Schmerzensgeld von 10.000 EUR verlangt. Dieses Verlangen war - auch aus Sicht des Klägers - auf eine endgültige Abfindung des Klägers in Bezug auf immaterielle Schäden gerichtet.
Diesbezüglich hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 8. Mai 2003 einen Betrag von 7.500 EUR als ausreichend angesehen und dies im Einzelnen begründet. Dabei hat sie - ebenso wie die Klägervertreter - die Gesamtfakten berücksichtigt, auf eine konkrete Entscheidung der ADAC-Schmerzensgeldtabelle verwiesen und ausdrücklich mitgeteilt, ein höherer Schmerzensgeldanspruch werde für nicht begründet erachtet. Diese Erklärung ist eindeutig und klar.
Zu Unrecht verweist der Kläger in diesem Zusammenhang darauf, erst aufgrund des zweiten Rentengutachtens vom 11. Februar 2004 sei nunmehr bekannt, dass entgegen dem Erkenntnisstand im Jahre 2003 eine Arthrodese erforderlich werden könne. Dabei handele es sich um eine wesentliche Verschlimmerung gegenüber dem ursprünglich angenommenen Heilungsverlauf. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. nur BGH NJW 1997, 2448 jurisRdnr. 12), dass es für den Beginn der Verjährung entscheidend auf die Sicht medizinischer Fachkreise ankommt, nicht auf den Kenntnisstand des Verletzten selbst.
Der Kläger hat indes keinerlei Umstände dargetan, die einen Rückschluss darauf zulassen, dass die eventuelle Gefahr der künftigen Notwendigkeit einer Arthrodese einem medizinisch Fachkundigen bei dem bei ihm aufgetretenen Verletzungsbild nicht bereits unmittelbar nach dem Unfall erkennbar war.
2. Das Schreiben der Beklagten vom 8. Mai 2003 stellt jedoch hinsichtlich zukünftiger materieller Schäden keine Erklärung i. S. des § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG dar. Zwar findet sich in diesem Schreiben der Begriff "Gesamtanspruch". Gleichwohl ergibt sich unter Würdigung der Gesamtumstände, dass seinerzeit auch die Beklagte mit ihren bisherigen Zahlungen nicht auch weitergehende materielle Schäden des Klägers endgültig abgelten wollte.
Die Verwendung des Begriffs "Gesamtanspruch" findet sich auch bereits in dem früheren Schreiben der Beklagten vom 27. September 2001 (Bl. 61 d. A.), ohne dass die Beklagte selbst mit dieser Formulierung die Absicht einer endgültigen Regulierung verband.
Der Beklagten war zudem aufgrund der Anspruchsschreiben der Klägervertreter, insbesondere dem vom 18. Februar 2003 und der Vorlage des sogenannten ersten Rentengutachtens vom 22. Januar 2001 das Vorliegen eines unfallbedingten körperlichen Dauerschadens und einer darauf beruhenden Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers von 20 % bekannt. Bis zu ihrem Regulierungsschreiben vom 8. Mai 2003 hatte der Kläger seine gesamten bis dahin angefallenen Behandlungskosten noch nicht geltend gemacht, deren Entstehen für die Beklagte indes offenkundig war.
Angesichts dieses Kenntnisstandes der Beklagten war für beide Parteien klar, dass durch die Zahlungen der Beklagten aufgrund ihrer Schreiben vom 27. September 2001 und 8. Mai 2003 lediglich der dem Kläger entstandene Fahrzeugschaden als materielle Schadensposition ausgeglichen werden sollte, hingegen jegliche weiteren materiellen Schadenspositionen noch offen waren.
Damit dauerte die Hemmung der Verjährung bezüglich materieller Schäden weiter fort und endete erst aufgrund des Ablehnungsschreibens der Beklagten vom 25. Juni 2007.
Der Senat schließt sich der Auffassung des Oberlandesgerichtes Düsseldorf (NJWRR 2005, 819 ff. - jurisRdnr. 22 ff. ) an, dass die rechtliche Wirkung eines Schreibens eines Haftpflichtversicherers hinsichtlich der Auswirkungen auf die Verjährungshemmung nach § 3 Nr. 3 Satz 3 PflVG für den Fall, dass das Schreiben unterschiedliche Streitgegenstände zum Inhalt hat, in Bezug auf diese einzelnen Streitgegenstände differenziert zu betrachten ist.
3. Das Feststellungsinteresse des Klägers ergibt sich aufgrund der Feststellungen in dem von ihm vorgelegten zweiten Rentengutachten der UBS Berlin vom 11. Februar 2004 (Bl. 17 ff.), das dem Kläger eine dauerhafte Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 % bescheinigt sowie die Notwendigkeit einer kontinuierlichen Betreuung in Abhängigkeit vom Beschwerdebild (physiotherapeutische Maßnahmen) und darauf hinweist, langfristig sei durchaus mit einer Arthrodese (operativ durchzuführende Gelenkversteifung) zu rechnen. Diese Ausführungen hat die Beklagte auch nicht in Abrede genommen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die weiteren Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 708 Nr. 10, 713, 543 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Ende der Entscheidung
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